Störungsfreier Unterricht und Betreuungsalltag durch den Einsatz von Wenn-Dann Plänen bei ADHS
Kindern und Jugendlichen mit ADHS fällt es oft schwer, sich selbst zu regulieren und Aufgaben umzusetzen. Dies liegt an den geringer ausgeprägten exekutiven Funktionen bei ADHS-Betroffenen (siehe Beitrag: „Neurobiologe und ADHS, absolut verlockend!“). In der pädagogischen Arbeit können Fachkräfte Kinder und Jugendliche bei genau diesen Schwierigkeiten unterstützen, indem sie mit ihnen für bestimmte Situationen Wenn-Dann Pläne aufstellen.
Was ist bei einem Wenn-Dann Plan zu beachten?
- Das Kind oder der/die Jugendliche sollte sich mit seiner/ihrer Zielintention und dem daran anknüpfenden Wenn-Dann Plan identifizieren, da sonst keine ausreichende intrinsische Motivation vorhanden ist
- Es sollte immer nur ein Wenn-Dann Plan zur Zeit behandelt werden
- Wenn ein Ziel erreicht ist, kann der nächste Plan entwickelt werden
- Im Wenn-Teil wird die Situation festgelegt, in der ein Alternativverhalten gewünscht ist. Im Dann-Teil wird das Verhalten festgelegt, das nach der eintretenden Situation ausgeführt werden soll.
Ein Beispiel aus der Praxis
Zur Zeit befinde ich mich im Rahmen meines Studiums der Erziehungswissenschaft im Praktikum in der Lerntherapiepraxis „Institut Lernen“ bei Jeannine Hohmann.
Gemeinsam haben wir Arbeitsblätter für die Wenn-Dann Pläne entwickelt und fangen an, sie bei Kindern und Jugendlichen, die ADHS diagnostiziert sind, in der Lerntherapie einzusetzen, wenn diese zum Beispiel Schwierigkeiten in der Selbstregulation und Motivation, die gerade bei ADHS auftreten, zeigen.
Selbstverständlich können Wenn-Dann Pläne auch außerhalb der Lerntherapie in der Schule zur Verhaltensregulation bei ADHS und in anderen pädagogischen Einrichtungen verwendet werden.
Schrittweise Anwendung des Wenn-Dann Plans in der Praxis
Ein ADS betroffener Junge im Grundschulalter, den wir in der Lerntherapie betreuen, bekommt im Schulalltag oft Wutanfälle. Beispielsweise, wenn er auf dem Schulhof oder im Sportunterricht aus Versehen von Mitschüler:innen angerempelt wird. Im Nachhinein tun ihm die Wutanfälle immer leid, da ihm bewusst ist, dass er dabei anderen wehtun kann.
Wenn-Dann Heft
Wir haben mit ihm ein Wenn-Dann Heft erstellt.
Zunächst überlegten wir gemeinsam, welche Ziele er hat und welches ihm davon momentan am wichtigsten erscheint, damit wir zusammen daran arbeiten können.
Er entschied sich für das Ziel:
„Ich möchte mich nicht mehr so viel streiten“.
Anschließend erarbeiteten wir, wie er das Ziel durch alternatives Verhalten erreichen kann und in welchen Situationen dieses eingesetzt werden solle. Auch hier sollte er sich für eine Verhaltensweise und eine Situation entscheiden:
„Im Sportunterricht drei Mal tief durchatmen und warten“.
Um seine intrinsische Motivation weiter anzuregen, haben wir gemeinsam über den Nutzen seiner Fähigkeit nachgedacht. Sowohl für ihn als auch für seine Familie und Freunde.
Zudem sollte er sich einen Helfer oder eine Helferin aussuchen, der/die ihn in brenzligen Situationen an seinen Wenn-Dann Plan erinnert und ihn bestärken kann. Inspiriert von dem „Ich schaff’s“-Modell von Ben Furmann durfte er sich im nächsten Schritt sein Kraft-Tier oder Superhelden aussuchen, an den er in schwierigen Situationen denken und deren Eigenschaft ihm helfen soll.
Sein Superheld Shadow klebt zum Beispiel auf dem Deckblatt seines Wenn-Dann Heftes, hängt an seiner Federtasche und an anderen Orten, damit er immer wieder an seinen Plan und seine Superkraft erinnert wird. Außerdem haben wir einen Steckbrief mit Shadows Superkräften und Eigenschaften erstellt.
Als nächstes wurde festgelegt, wie er feiern möchte, wenn er seinen Wenn-Dann Plan nicht mehr braucht: mit einem Eis in der Lerntherapie.
Fertiger Wenn-Dann Plan
Zuletzt fassten wir alle Schritte in einem Wenn-Dann Plan zusammen:
„Wenn ich im Sportunterricht wütend werde, dann atme ich drei Mal tief durch und warte“.
Skalierung als Reflexion des Wenn-Dann Planes
Jede Woche trägt er in einer Skala ein, wie gut es ihm in den letzten sieben Tagen gelungen ist, seinen Plan umzusetzen. Zudem sind wir im Kontakt mit der Deutschlehrerin, die auch von seinem Wenn-Dann Plan weiß und zwischendurch sein Verhalten mit ihm reflektiert.
Ich wünsche euch viel Erfolg beim Ausprobieren der Wenn-Dann Pläne.
Eure Lili Paulsen
Fachliteratur und Quellen
Fachliteratur
Ausführlichere fachliche Informationen sind im internen Mitgliederbereich dieses ADHS-Blogs zu finden. Zudem haben wir einen Literaturtipp, der sich mit ADHS im Unterricht und dem Einsatz von Wenn-Dann Plänen in der pädagogischen Praxis befasst:
„Störungsfreier Unterricht trotz ADHS. Mit Schülern Selbstregulation trainieren – ein Lehrmanual“
Quellen:
Faude-Koivisto, Tanya/ Gollwitzer, Peter: Wenn-Dann Pläne: eine effektive Planungsstrategie aus der Motivationspsychologie, in Birgmeier, Bernd (Hrsg.): Coachingswissen: denn sie wissen nicht, was sie tun?, Verlag für Sozialwissenschaft, KOPS, Wiesbaden 2009, S.207-225
Furman, Ben: Ich schaff’s! Spielerisch und praktisch Lösungen mit Kindern finden – Das 15-Schritte-Programm für Eltern, Erzieher und Therapeuten, Carl-Auer-Systeme Verlag, Heidelberg 2008 (3. Auflage)
Gawrilow, Caterina/ Guderjhan, Lena/ Gold, Andreas: Störungsfreier Unterricht trotz ADHS. Mit Schülern Selbstregulation trainieren – ein Lehrmanunal. Ernst Reinhardt Verlag, München 2018 (2. Auflage
Toller Blog! 🙂
Hallo Lili,
ein toller Beitrag! Ich freue mich, dass ich die Pläne auch schon ausprobieren kann! LG Steffi
Liebe Steffi, herzlichen Dank für deinen Kommentar. Wir freuen uns ebenfalls, dass du die Arbeit Lilis unterstützt und wir somit die Wirkungsweise der Wenn-Dann Pläne überprüfen können. LG Jeannine und Lili